Urteilsanzeige GmbH, GF

23.04.2012

BGH Az (II ZR 163/10) Link zur Originalentscheidung

Anwendbarkeit AGG auf Fremdgeschäftsführer - Altersdiskriminierung Chefarzt - Berücksichtigung Presseberichte

a) Auf den Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt, sind gemäß § 6 Abs. 3 AGG die Vorschriften des Abschnitts 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und § 22 AGG entsprechend anwendbar.
b) Entscheidet ein Gremium über die Bestellung und Anstellung eines Bewerbers als Geschäftsführer, reicht es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG aus, dass der Vorsitzende des Gremiums die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, unwidersprochen öffentlich wiedergibt und sich daraus Indizien ergeben, die eine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG vermuten lassen.
c) Macht der Kläger einen Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens nach § 15 Abs. 1 AGG geltend, obliegt ihm grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist. Ihm kommt aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen besteht. (Leitsätze BGH)

Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger war medizinischer Geschäftsführer einer Krankhaus-GmbH, deren allenige Gesellschafterin eine Kommune war. Satzungsmäßig bestimmte eine fakultaiver Aufsichtsrat über den Abschluss der Geschäftsführeranstellungsverträge.
Vor Ablauf der Festlaufzeit hat der Aufsichtsrat per Mehrheitsentscheid die Nichtverlängerung und Einstellung eines (jüngeren) Konkurrenten beschlossen.

Aus den Gründen:
a) Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - eröffnet.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist schon nach § 6 Abs. 3 AGG auf den Kläger anwendbar. Danach gelten die Vorschriften des zweiten Abschnitts des Gesetzes für Geschäftsführer entsprechend, soweit es u.a. die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betrifft. Damit kann offen bleiben, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist - wie hier der Kläger -, im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Beschäftigter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift, angesehen werden kann.

b) Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist ebenfalls eröffnet, weil der Zugang zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG betroffen ist.
aa) Unter das Merkmal des Zugangs zur Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG fallen sowohl der Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages als auch die Bestellung zum Geschäftsführer nach §§ 6, 35 ff. GmbHG. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 AGG, der darauf gerichtet ist, den Schutz vor Benachteiligungen aus den in § 1 AGG genannten Gründen u.a. auf Geschäftsführer auszudehnen. Zwar werden die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere seine Vergütungsansprüche, regelmäßig in dem Anstellungsvertrag geregelt. Jedenfalls können immaterielle Schäden entstehen, wenn die Bestellung zum Geschäftsführer entgegen dem Anstellungsvertrag unterbleibt.

bb) Von dem Begriff des Zugangs zur Erwerbstätigkeit wird auch der Fall erfasst, dass die Bestellung eines Geschäftsführers aufgrund einer Befristung endet und die Stelle neu besetzt werden soll. Wenn sich der bisherige, infolge Fristablaufs aus seinem Anstellungsverhältnis und seinem Amt ausgeschiedene Geschäftsführer - wie hier der Kläger - wiederum um die Stelle des Geschäftsführers bewirbt, erstrebt er damit einen - neuen - Zugang zu dieser Tätigkeit.

Indem § 6 Abs. 3 AGG die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bezüglich der Organmitglieder auf den Zugang beschränkt und die Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG davon ausnimmt, bezweckt die Vorschrift, den für die Entscheidung über Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen zuständigen Gesellschaftsorganen eine weitgehend freie, nur am Unternehmenswohl orientierte und allein an der Grenze der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu messende Entscheidung zu ermöglichen. Wollen die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers der Gesellschaft durch Entlassung beenden und seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen, sollen sie dabei nicht eine Abwägung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vornehmen müssen. Um eine solche Entlassungs- und Widerrufsentscheidung geht es hier jedoch nicht.

Zu überprüfen ist nicht die Zulässigkeit dieser Befristung, sondern die Zulässigkeit der Entscheidung, den Kläger nicht erneut zum Geschäftsführer zu berufen und mit ihm kein neues Vertragsverhältnis zu begründen.

Wollen die zuständigen Gesellschaftsorgane die Stelle eines abberufenen oder sonst aus dem Amt geschiedenen Geschäftsführers nicht unbesetzt lassen, sondern wieder neu besetzen, müssen sie bei der Auswahl des neuen Geschäftsführers die Grenzen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beachten. Bewirbt sich der ausscheidende Geschäftsführer erneut um das Geschäftsführeramt, kommt ihm damit derselbe Schutz durch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugute wie jedem anderen Bewerber auch.
Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten scheitert die Berücksichtigung des bisherigen Geschäftsführers bei der Abwägung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht daran, dass er mit den neuen Bewerbern nicht vergleichbar wäre. Zwar können die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat die Eignung des bisherigen Geschäftsführers aus eigener Anschauung beurteilen, während sie hinsichtlich der Beurteilung der übrigen Bewerber auf andere Erkenntnisquellen, wie etwa Zeugnisse oder Referenzen, angewiesen sind. Das rechtfertigt aber keine Ausnahme des bisherigen Geschäftsführers von einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung.

Dieser Gesetzesauslegung kann nicht entgegengehalten werden, aus der Geltung des Diskriminierungsverbots bei der Entscheidung über die Wiederbeschäftigung des bisherigen Geschäftsführers und einer Nichtgeltung bei der Entscheidung über die Beendigung seiner Tätigkeit ergebe sich ein "widersinniges Hin und Her", weil der wiederbestellte Geschäftsführer sogleich wieder abberufen werden könne (so Lutter, BB 2007, 725, 728). Zum einen könnte es auch bei einer erstmaligen Bestellung eines Bewerbers zum Geschäftsführer dazu kommen, dass er sogleich wieder abberufen wird, um den an sich gewünschten, aber wegen des Diskriminierungsverbots nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zunächst nicht berücksichtigten Kandidaten zum Geschäftsführer zu bestellen. Zum anderen wäre das eine missbräuchliche Rechtsausübung, die jedenfalls gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen würde.

c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der Kläger durch den Nichtabschluss eines neuen Anstellungsvertrages und die Nichtwiederbestellung zum Geschäftsführer altersbedingt im Sinne der § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG benachteiligt worden ist.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG zugute kommt. Nach dieser Vorschrift hat die Anstellungskörperschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen im Sinne des § 1 AGG vorgelegen hat, wenn die andere Partei Indizien vorträgt und erforderlichenfalls beweist, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen.

(1) Die Vorschrift des § 22 AGG ist auf die Bestellung eines Geschäftsführers anwendbar. Sie steht zwar nicht im zweiten Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wie es § 6 Abs. 3 AGG seinem Wortlaut nach für die Anwendbarkeit von Vorschriften auf Organmitglieder voraussetzt. Dennoch kommt sie auch auf Organmitglieder zur Anwendung.

Das ergibt eine Auslegung der Norm anhand ihres Schutzzwecks. Durch § 22 AGG, der im vierten Abschnitt "Rechtsschutz" des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes steht, soll sichergestellt werden, dass die Schutzregeln, die u.a. im zweiten Abschnitt des Gesetzes aufgeführt sind, im Prozesswege durchsetzbar sind. Der Gesetzgeber hat diese Frage nicht der Rechtsprechung überlassen wollen, sondern sie durch Anordnung einer bedingten Beweislastumkehr selbst geregelt. Ein Grund, diese Regel nur auf Beschäftigte im Sinne des § 6 Abs. 1 AGG zu beziehen und nicht auch auf Organmitglieder im Sinne des § 6 Abs. 3 AGG, besteht nicht. Beide Gruppen sind für die Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche typischerweise gleichermaßen auf Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast angewiesen. Es sind demgemäß auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst die Nichtanwendbarkeit des § 22 AGG auf Organmitglieder angeordnet hätte.

(2) Der Kläger hat, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, ausreichende - unstreitige - Indizien dargelegt, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen.

So hat das Berufungsgericht festgestellt, dass in der Sitzung des Aufsichtsrats vom 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers, nicht auch über etwaige Leistungsdefizite gesprochen worden ist, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats in der Sitzung gesagt hat, die von der Stadt K. angestrebte Altersgrenze für Führungskräfte städtischer Betriebe sei zu beachten, dass er auf die anstehenden Umbrüche auf dem Gesundheitsmarkt und die damit verbundene Notwendigkeit einer langfristigen Kontinuität in der medizinischen Geschäftsführung hingewiesen hat, die einer Verlängerung des Vertrages mit dem Kläger entgegenstehe, und dass über diese Äußerungen auch in der K. Lokalpresse berichtet worden ist.

(a) Zu Unrecht wehrt sich die Revision der Beklagten gegen die Berücksichtigung der Presseberichterstattung durch das Berufungsgericht.
Abgesehen davon, dass schon die unstreitigen Äußerungen in der Aufsichtsratssitzung für die Annahme einer Vermutung im Sinne des § 22 AGG ausreichen, konnte das Berufungsgericht die Presseberichterstattung berücksichtigen. Es war sich dabei der Tatsache bewusst, dass Presseberichterstattungen fehlerhaft sein können, ohne dass die davon Betroffenen das verhindern können. Es hat aber zutreffend darauf abgestellt, dass die in der Presse wiedergegebenen Äußerungen "aus dem Aufsichtsrat" gekommen sind.
So heißt es in dem Artikel des K. StadtAnzeigers vom 16. Oktober 2008 nach der Angabe, die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende G. (CDU) habe die guten wirtschaftlichen Ergebnisse der Beklagten erwähnt:
Das weiß auch Aufsichtsratsvorsitzender M. P. (SPD): "Im Moment sind die Kliniken gut aufgestellt." Der Sozialdemokrat führte formale Gründe für die beschlossene Trennung an. Der Vertrag mit L. endet im August 2009. Eine Verlängerung hätte sich nicht über die üblichen fünf Jahre erstrecken können. Aufgrund der für die Spitzenmanager städtischer Unternehmen geltenden Altersgrenze von 65 Jahren hätte der medizinische Leiter die Kliniken bereits 2012 verlassen müssen. "Der Gesundheitsmarkt befindet sich im Umbruch", so P. . "Wir brauchen jemanden, der die Kliniken auch langfristig in den Wind stellen kann."

Die Beklagte ist diesem Artikel nicht entgegengetreten. Damit ist die Würdigung des Berufungsgerichts, klarer könne man "einen bestimmenden Einfluss des Altersfaktors nicht umschreiben", aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Dabei spielt keine Rolle, ob die Indizien im Sinne des § 22 AGG die Benachteiligung nur plausibel oder nach allgemeiner Lebenserfahrung überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen müssen. Denn letzteres ist hier jedenfalls anzunehmen.

(b) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, bei der Feststellung, ob eine Gremienentscheidung - wie hier die des Aufsichtsrats der Beklagten - eine diskriminierende Wirkung habe, sei allein auf den Beschluss oder die nach außen erkennbare kollektive Willensbildung des Aufsichtsrats abzustellen, die hier keine diskriminierenden Motive erkennen ließen.

Da ein Gremium als solches keinen eigenen Willen hat, sondern sich seine Entscheidungen aus dem Willen seiner Mitglieder ergeben, kommt es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG allein darauf an, ob Indizien feststehen, aus denen sich ergibt, dass die einzelnen Mitglieder des Gremiums bei der Abstimmung den Bewerber aus unzulässigen Gründen benachteiligt haben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Motivation bei der für die Beschlussfassung erforderlichen Mehrheit der Mitglieder oder bei nur einem Mitglied vorhanden sein muss.

Denn jedenfalls reicht es für die Vermutungswirkung des § 22 AGG aus, dass der Vorsitzende des Gremiums - wie hier - die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, unwidersprochen vor der Presse wiedergibt. Er repräsentiert dabei das gesamte Gremium.

(c) Der Einwand der Revision der Beklagten, eine Benachteiligung liege nicht schon dann vor, wenn das Alter lediglich im Rahmen eines "Motivbündels" eine Rolle gespielt habe, es müsse vielmehr conditio sine qua non für die Personalentscheidung gewesen sein, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zum einen würde auch dann die Äußerung des Aufsichtsratsvorsitzenden reichen, um eine derartige Benachteiligung vermuten zu lassen. Zum anderen muss der diskriminierende Umstand gerade nicht die nicht hinweg zu denkende Ursache für die Entscheidung gewesen sein. Es genügt vielmehr, wenn sie lediglich als Teil eines Motivbündels die Entscheidung beeinflusst hat.

bb) Die damit nach § 22 AGG begründete Vermutung, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, ist von der Beklagten nicht entkräftet worden.
Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 15. Oktober 2008 allein über das Alter des Klägers und die dadurch zweifelhaft gewordene Kontinuität der Amtsführung gesprochen worden sei. Die Beklagte habe dagegen nicht dargelegt, dass die angeblich zuvor gerügten Mängel der Amtsführung des Klägers derart gewichtig gewesen seien, dass der Aspekt des Alters dahinter zurückgetreten sei. Um das darzulegen, hätte die Beklagte den vorangegangenen Kommunikationsprozess offen legen müssen, was sie nicht in ausreichendem Maße getan habe.
Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Unzutreffend ist dagegen der Einwand der Revision der Beklagten, eine umfassende Dokumentations- und Offenlegungspflicht des Inhalts der Beratungen in den Aufsichtsratssitzungen und sogar der Gespräche im Vorfeld verstoße gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 2 AktG und ersticke jede Möglichkeit der Erörterung von Personalfragen im Aufsichtsrat. Von der Verschwiegenheitspflicht des § 116 Satz 2 AktG kann sich der Aufsichtsrat als Organ in gewissen Grenzen selbst befreien , was bei der vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls als zulässig anzusehen wäre; und soweit eine freie Erörterung im Aufsichtsrat durch die Vermutungswirkung des § 22 AGG behindert wird, entspricht dies gerade dem Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

d) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Benachteiligung des Klägers nicht nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist.

aa) Nach § 8 Abs. 1 AGG wäre die Auswahlentscheidung der Beklagten dann nicht zu beanstanden, wenn das dabei vorausgesetzte Alter wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellte, der Zweck der Ungleichbehandlung rechtmäßig und die Anforderung angemessen wäre. Dabei ist zu beachten, dass der dieser Ausnahmevorschrift zugrunde liegende Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen ist.

Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Richtlinie 2000/78/EG auch Geschäftsführer einer GmbH erfasst, sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einheitlich richtlinienkonform auszulegen, weil für eine gegebenenfalls gespaltene Auslegung keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Danach ist auf die konkrete Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens wie das der Beklagten abzustellen und zu prüfen, ob für diese Tätigkeit das Lebensalter eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Revision der Beklagten zeigt auch keinen entsprechenden Vortrag der Beklagten auf.

bb) Die Nichtweiterbeschäftigung des Klägers ist auch nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG gerechtfertigt.
Danach ist die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand zulässig. Mit dieser Vorschrift soll gewährleistet werden, dass einer im Einzelfall aufwändigen Einarbeitung des Beschäftigten eine sinnvolle Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung gegenüber steht.

Dieser Gesetzzweck kommt hier ersichtlich nicht zum Tragen. Der Kläger war eingearbeitet und hätte deshalb seine Tätigkeit ohne jede Unterbrechung fortsetzen können.
cc) Auch § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG scheidet als Rechtfertigungsgrund aus.
Von dieser Vorschrift wird die Festsetzung von Altersgrenzen im Zusammenhang mit den Systemen der betrieblichen Altersversorgung erfasst.
Darum geht es hier nicht. Zu einem System der betrieblichen Altersversorgung, das für den Kläger gelten würde, ist nichts festgestellt.

dd) Auch § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.
Danach ist eine Vereinbarung zulässig, mit der die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung mit Erreichen des Renteneintrittsalters sichergestellt werden soll.
Dafür fehlt es schon an einer entsprechenden Vereinbarung. Im Übrigen bestand für den Kläger im Zeitpunkt der beanstandeten Entscheidung noch keine Möglichkeit, eine Rente wegen Alters zu beantragen.
ee) Auch die Voraussetzungen der Generalklausel in § 10 Satz 1 AGG sind nicht erfüllt.
Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen ist und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Als legitime Ziele im Sinne dieser Vorschrift kommen auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht.

Die von der Beklagten angestrebte fünfjährige Bindung des neuen Geschäftsführers wegen des "Umbruchs im Gesundheitsmarkt" erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Die Beklagte hat - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - schon nicht erläutert, was darunter im Einzelnen zu verstehen sein soll und warum die Entwicklung auf dem Gesundheitsmarkt eine langfristige Bindung an einen neuen Geschäftsführer notwendig macht. Der Kläger war schon als Geschäftsführer der Beklagten tätig, hätte also ohne Bruch der Kontinuität wiederbeschäftigt werden können. Dass die Beklagte gerade darauf angewiesen war, eine Kontinuität in der Zeit nach August 2009, dem Auslaufen der Bestellung des Klägers, für die nächsten fünf Jahre herzustellen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

An der Unzulässigkeit der Auswahlentscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger bei einer Neubestellung als Geschäftsführer für den bei der Beklagten offenbar üblichen Zeitraum von fünf Jahren schon vor Ablauf dieser Frist das allgemeine Renteneintrittsalter erreicht haben würde. Der bloße Wunsch der Beklagten, die Geschäftsführer auf fünf Jahre zu bestellen, verdient jedenfalls dann keinen Schutz, wenn der Geschäftsführer schon zuvor in diesem Amt tätig war.
Ob es allgemein zulässig ist, in Entsprechung zu Nr. 5.1.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Altersgrenze für Organmitglieder auch unterhalb von 65 Jahren zu bestimmen, braucht entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte hat eine solche Altersgrenze - hier 62 Jahre - weder eingeführt, noch beabsichtigte sie das.
e) Das Verschulden der Aufsichtsratsmitglieder wird gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG vermutet. Die Beklagte muss sich dieses Verschulden ihrer Organmitglieder nach § 31 BGB zurechnen lassen.

g) Als Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 7 AGG hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Erwerbsvorteile nach § 15 Abs. 1 AGG angenommen. Es hat jedoch die Ursächlichkeit der Benachteiligung des Klägers dafür, dass er nicht erneut als Geschäftsführer angestellt und zum Geschäftsführer bestellt worden ist, nicht fehlerfrei festgestellt.
aa) Dem Antrag des Klägers festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der aus der nicht erfolgten neuen Anstellung und der nicht erfolgten neuen Bestellung zum Geschäftsführer entstanden ist, durfte das Berufungsgericht nur stattgeben, wenn festgestanden hätte, dass der Kläger bei regelgerechtem Vorgehen der Beklagten angestellt und bestellt worden wäre. Eine lediglich hohe Wahrscheinlichkeit reicht dagegen im Rahmen des gestellten Antrags nur insoweit aus, als es darum geht, ob dem Kläger aus der Nichtanstellung und Nichtbestellung ersatzfähige Erwerbsvorteile in irgendeiner Höhe entgangen sind.

bb) Im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG hat - wie im Grundsatz bei jedem Schadensersatzanspruch - der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist. Daran ändert auch die Vermutungsregel des § 22 AGG nichts. Sie bezieht sich nur auf den Rechtsgrund der Haftung. Lediglich für den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus § 15 Abs. 2 AGG ordnet § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eine Ausnahme an. Danach darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden kann. Ein immaterieller Schaden kann schon dann eintreten, wenn der Bewerber in diskriminierender Weise behandelt worden ist, auch wenn diese Behandlung für die Ablehnung seiner Bewerbung nicht ursächlich geworden ist. Das ist bei einem Vermögensschaden in Form entgangener Erwerbsvorteile anders.

Dem Anspruchsteller kommt im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen der Anstellungskörperschaft besteht. Insoweit gelten die Grundsätze entsprechend, die der Bundesgerichtshof in Fällen der Nichtberücksichtigung eines Stellenbewerbers infolge einer Amtspflichtverletzung einer Behörde aufgestellt hat.

Danach kann - sofern dafür nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit besteht - der Körperschaft der Nachweis überlassen werden, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist.

Ein der Lebenserfahrung entsprechender Sachverhalt mag den Ausführungen des Berufungsgerichts entnommen werden können, wonach der Kläger bis auf einige eher wenig gravierende - hinsichtlich ihrer Berechtigung nicht überprüfte - Kritikpunkte kompetent sei, zu dem wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten beigetragen habe und - im Gegensatz zu seinem Mitbewerber - mit den Geschäften der Beklagten bereits vertraut gewesen sei. Das Berufungsgericht hat aber jedenfalls den Gegenvortrag der Beklagten nicht erschöpfend gewürdigt. Der bloße Hinweis darauf, dass die Beklagte ihren Entscheidungsprozess nicht transparent gemacht habe, reicht dafür nicht aus. Immerhin hat das Berufungsgericht an anderer Stelle seines Urteils ausgeführt, der Kläger sei nicht nur wegen seines Alters, sondern auch wegen fachlicher Kritikpunkte nicht wieder beschäftigt worden.

Das Berufungsgericht hat in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zur Ursächlichkeit des regelwidrigen Verhaltens der Beklagten für die Nichtwiederanstellung und die Nichtwiederbestellung des Klägers zu treffen.

2. Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zum angemessenen Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers, mindestens in Höhe von 110.000 €, ist dem Grunde nach begründet, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Berufungsgericht dem Antrag aber nicht nur in Höhe von 36.600 € stattgeben.

a) Nach § 15 Abs. 2 AGG ist auch der immaterielle Schaden angemessen zu ersetzen. Dabei hat der Tatrichter ein weites Ermessen. Die Entscheidung kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob die Rechtsnorm zutreffend ausgelegt, ein Ermessen ausgeübt, die Ermessensgrenze nicht überschritten und das Vorbringen der Parteien umfassend und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze berücksichtigt worden ist. Gemessen daran ist die Bestimmung des Entschädigungsbetrags durch das Berufungsgericht nicht frei von Rechtsfehlern.

aa) Soweit sich die Revision des Klägers allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Altersdiskriminierung des Klägers wiege nicht besonders schwer, er sei nicht wegen einer angeblichen Minderung seiner Leistungsfähigkeit, sondern wegen der pauschalen Anwendung einer Altersgrenze benachteiligt worden und als Geschäftsführer habe er ohnehin damit rechnen müssen, nach Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr erneut bestellt zu werden, versucht sie nur, ihre eigene Wertung an die Stelle derer des Berufungsgerichts zu setzen. Rechtsfehler werden damit nicht aufgezeigt.
Das Gleiche gilt hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts, das Verschulden des Aufsichtsrats wiege nicht schwer und deshalb sei auch unter Berücksichtigung des Sanktions- und Präventionszwecks des § 15 Abs. 2 AGG eine eher niedrige Entschädigung angemessen. Die Revision des Klägers weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG kein Verschulden voraussetzt. Dennoch sind bei der Bemessung der Entschädigung das Vorliegen und die Schwere eines etwaigen Verschuldens zu berücksichtigen.
Entgegen der Auffassung der Revision des Klägers ist die zugesprochene Entschädigung von 36.600 € nicht nur so gering, dass sie nicht wirksam, verhältnismäßig und abschreckend im Sinne des Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG ist. Es lässt sich aus Rechtsgründen nicht sagen, dass für ein Unternehmen wie die Beklagte mit einem Jahresumsatz im Jahr 2008 in Höhe von 229 Mio. € und einem Jahresüberschuss in Höhe von 8,5 Mio. € der Entschädigungsbetrag von 36.600 € keinerlei Sanktions- und Präventionswirkung haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt liegt die Bemessung noch im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens.

Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision des Klägers, die Entschädigung sei noch unterhalb der Grenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG geblieben. Damit will die Revision offenbar sagen, dass für den bestqualifizierten Bewerber die Entschädigung von drei Monatsgehältern - wie sie in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG für andere Bewerber höchstens vorgesehen ist - die Untergrenze darstelle. Das ist unzutreffend. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Entschädigung für den Bestqualifizierten nicht im Einzelfall auch geringer als drei Monatsgehälter sein kann.

bb) Rechtsfehlerhaft ist aber die Erwägung des Berufungsgerichts, die Entschädigung von Nichtvermögensschäden nach § 15 Abs. 2 AGG könne niedriger ausfallen, wenn - wie hier - zugleich der Ersatz materieller Schäden nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht werde. Das Gesetz geht davon aus, dass beide Schäden parallel geltend gemacht werden können. Dann kann daraus aber keine Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden hergeleitet werden.

cc) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Entschädigung müsse niedriger ausfallen, weil die Beklagte die Wiedereinstellung des Klägers nicht nur wegen seines Alters, sondern aufgrund eines Motivbündels abgelehnt habe - u.a. wegen schlechter Leistungen -, und der Aufsichtsrat in der Lage gewesen wäre, auch eine nichtdiskriminierende Begründung für seine Entscheidung zu finden. Insoweit fehlen Feststellungen, dass die Leistung des Klägers tatsächlich Mängel aufgewiesen hat. Ohne solche Feststellungen bleibt die Möglichkeit offen, dass die angeblichen Unmutsäußerungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder in der Sache nicht gerechtfertigt waren. Die bloße Möglichkeit eines nichtdiskriminierenden Motivs innerhalb eines Motivbündels ohne greifbare Anhaltspunkte kann auf die Höhe der Entschädigung keinen Einfluss haben.
b) Damit ist die Sache auch hinsichtlich des abgewiesenen Teils des Zahlungsantrags an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Abwägung zur Höhe des Entschädigungsanspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats vorgenommen werden kann.

Anmerkung:

Reden ist Silber- Schweigen ist Gold ...

 


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