Urteilsanzeige GmbH,AktG,InsO

12.02.2007

BGH Az (II ZR 272/05) Link zur Originalentscheidung

(keine) verdeckte Sacheinlage bei Zahlung an Schwester-AG

Der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage bei der Barkapitalerhöhung einer GmbH setzt einen unmittelbaren oder mittelbaren Einlagenrückfluss an den Inferenten als Vergütung für eine von ihm erbrachte oder absprachegemäß zu erbringende Leistung voraus. Sonstige Absprachen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel sind unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung unschädlich.
b) Eine verdeckte Sacheinlage liegt nicht schon dann vor, wenn die von einer Konzerngesellschaft auf das erhöhte Kapital ihrer Tochter-GmbH geleistete Bareinlage absprachegemäß zum Erwerb des Unternehmens einer Schwester-Gesellschaft verwendet wird, an welcher die Inferentin weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt ist.(Leitsätze BGH)

Aus dem Tatbestand:
Der Insolvenzverwalter einer GmbH klagt auf Nachzahlung eines Betrages von ca. 4,5 Mio € aus einer Barkapitalerhöhung. Die von der Gesellschafterin F-GmbH urspünglich eingezahlten Beträge wurden umgehend von der Tochter-GmbH zum Erwerb eines Unternehmens einer Schwester-AG verwendet.

Aus den Gründen:
Noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass es sich bei dem Unternehmenskauf der Schuldnerin nicht um ein "normales Umsatzgeschäft" gehandelt hat, weil es aus dem Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs herausfiel. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dieses Kriterium aber unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln (§ 19 Abs. 2, 5 GmbHG) nur von Bedeutung, soweit es um(unmittelbare oder mittelbare) Kapitalrückflüsse an den Inferenten aufgrund des betreffenden Rechtsgeschäftes geht.
Nach der Rechtsprechung des Senats setzt zwar der Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln eine personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem Rückzahlungsempfänger nicht unbedingt voraus.

Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr bei Weiterleitung der Einlagemittel an einen Dritten, dass der Inferent dadurch in gleicher Weise begünstigt wird wie durch eine unmittelbare Leistung an ihn selbst; das gilt insbesondere bei Leistung an ein von dem Inferenten beherrschtes Unternehmen, u.U. auch bei Leistungen an ein Unternehmen, von dem der Inferent seinerseits abhängig ist.

Ein Abhängigkeitsverhältnis dieser Art bestand zwischen der F. GmbH als Inferentin und ihrer Schwestergesellschaft, der L. als Kaufpreisempfängerin nicht. Ebenso wenig floss der von der Schuldnerin gezahlte Kaufpreis mittelbar an die F. GmbH zurück.

Dass ihr der Gegenwert in Gestalt des von der Schuldnerin gekauften Unternehmens mittelbar zugute kam, ist ohne Bedeutung, weil Einlagemittel gerade zur Finanzierung von Anschaffungen der Gesellschaft bestimmt sind und diese immer mittelbar dem Gesellschafter bzw. Inferenten zugute kommen.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine "verdeckte Sacheinlage" bzw. eine Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln hier auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Transaktionen unter einem "Konzerndach" abgewickelt und zuvor zwischen den beteiligten Gesellschaften unter Einschluss der Beklagten als Konzernmutter abgesprochen worden sind.
a) Wie die Revision zu Recht rügt, widerspricht die Auffassung des Berufungsgerichts den Grundsätzen in dem von ihm selbst angeführten Senatsurteil vom 22. Juni 1992. Im dortigen Fall war die von dem Alleingesellschafter einer GmbH an diese geleistete "Kapitalerhöhungseinlage" absprachegemäß zur Gründung einer weiteren GmbH verwendet und an diese weitergeleitet worden.
Obwohl es sich auch dort um ein Konzernverhältnis zwischen den Beteiligten handelte (vgl. § 18 Abs. 1 AktG) und der Inferent sogar zugleich der "Konzernherr" war, hat der Senat eine wirksame Tilgung der Bareinlageschuld (§ 19 Abs. 1 GmbHG) angenommen. Er ist dabei insbesondere der Ansicht entgegengetreten, der Inferent habe seiner Tochtergesellschaft in Wahrheit keine Bareinlage, sondern die mit ihr zu erwerbende Beteiligung an einer neu zu gründenden Enkelgesellschaft als verdeckte Sacheinlage verschafft. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind nämlich schuldrechtliche Absprachen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel bei einer Kapitalerhöhung unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung unschädlich, wenn sie nur zur Erreichung bestimmter geschäftlicher Zwecke dienen und nicht dazu bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Inferenten zurückfließen zu lassen. Das gilt für das vorliegende Verhältnis zwischen konzernverbundenen Schwestergesellschaften (vgl. § 18 Abs. 2 AktG) um so mehr, weil hier die Einlagemittel nicht an ein Unternehmen weiterfließen, an dem der Inferent irgendwie beteiligt ist.

b) An der Zulässigkeit der Verwendungsabsprache zwischen der F. GmbH (Inferentin) und der Schuldnerin ändert sich auch dadurch nichts, dass die Absprache möglicherweise von der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Konzernmutter initiiert wurde.

Sie war weder Einlageschuldnerin noch Partnerin des Austauschvertrages zwischen der Schuldnerin und der L. AG; ihrem Vorstand gegenüber hatte sie auch keine gesellschaftsrechtlich fundierten Weisungsbefugnisse (vgl. § 76 Abs. 1 AktG).

Da nicht die Beklagte, sondern die F. GmbH Inferentin im Verhältnis zu der Schuldnerin war, kommt es auch nicht darauf an, ob die Kaufpreiszahlung der Schuldnerin an die L. AG mittelbar der Beklagten aufgrund ihrer Beteiligung an der L. AG zugute kam. Dass die F. GmbH und die L. AG für Rechnung der Beklagten handelten und der Kaufpreis an diese weitergeleitet worden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, eine verdeckte Sacheinlage liege hier schon deshalb vor, weil mit der Kapitalmaßnahme eine Umstrukturierung der Konzernaktivitäten bezweckt worden sei und die Schuldnerin deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Bar, sondern einen Sachwert, nämlich den Gießereibetrieb, habe erhalten sollen. Das wäre nur bei - hier nicht gegebener - Anwendbarkeit des § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG von Bedeutung (vgl. oben II 1) und widerspricht wiederum der schon erwähnten Zulässigkeit von Verwendungsabsprachen, die immer darauf zielen, dass Einlagemittel für bestimmte Zwecke eingesetzt werden sollen. Anderes gilt nur dann, wenn die Gesellschaft den Sachwert bei wirtschaftlicher Betrachtung "von dem Anleger" aufgrund eines mit ihm oder mit einem von ihm beherrschten Unternehmen zu schließenden Austauschgeschäfts erhalten soll, das zu einem Rückfluss der Bareinlagemittel an den Inferenten oder an das von ihm beherrschte Unternehmen führt.

Da diese Voraussetzungen, wie schon ausgeführt, hier nicht vorliegen, kann eine Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln bzw. eine verdeckte Sacheinlage auch nicht mit der Erwägung angenommen werden, dass im vorliegenden Fall die Alternative einer Sachkapitalerhöhung der Schuldnerin unter direkter Beteiligung der L. AG bestanden hätte, oder die F. GmbH den Gießereibetrieb auch selbst hätte erwerben und als Sacheinlage in die Schuldnerin einbringen können. Derartigen isolierten Alternativerwägungen, welche den unternehmerischen Entscheidungsspielraum beschneiden und auf einen im Gesetz nicht vorgesehenen Zwang zur Wahl einer Sachkapitalerhöhung hinauslaufen, ist der Senat schon im Urteil vom 22. Juni 1992 aaO (vgl. oben 2 a) entgegengetreten.

Ebenso wenig greift die Alternativüberlegung des Berufungsgerichts durch, die F. GmbH hätte den von der Schuldnerin an die L. AG zu zahlenden Kaufpreis als Dritte gemäß § 267 BGB direkt an die L. AG zahlen und einen Erstattungsanspruch gegen die Schuldnerin als Sacheinlage in diese einbringen können. Das Berufungsgericht verkennt ebenso wie die Revisionserwiderung, dass die Alternative einer schuldbefreienden Drittleistung des Inferenten (§ 267 BGB) bei jeder Absprache über die Verwendung der Einlagemittel besteht und deren grundsätzlicher Zulässigkeit nicht entgegensteht.

Ein Zwang zur Wahl einer Sach- anstelle einer Barkapitalerhöhung besteht auch in einem Konzern nicht, wenn die geleistete Einlage nicht unmittelbar oder mittelbar an den Inferenten zurückfließt.

Grundsätzlich gilt für die einzelnen Gesellschaften im Konzernverbund das Trennungsprinzip. Die Kapitalerhöhung einer Konzerngeellschaft muss auch nicht zu einer Aufstockung des Konzernkapitals insgesamt führen, sondern kann auch durch eine Umschichtung - wie im vorliegenden Fall - bewerkstelligt werden, wenn die genannten Kautelen beachtet sind.

d) Die Auffassung des Berufungsgerichts führt im Übrigen - auch unabhängig von dem vorliegenden Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin - zu dem unangemessenen und von dem Normalfall einer verdeckten Sacheinlage abweichenden Ergebnis, dass die F. GmbH die Einlage nochmals zahlen müsste, während der Anspruch auf Rückzahlung des an die L. AG gezahlten Kaufpreises der Schuldnerin zustünde, weil der wegen (vermeintlicher) Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln nichtige Unternehmenskaufvertrag im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der L. AG rückabzuwickeln wäre (§ 812 BGB).

Dagegen wird im Fall einer verdeckten Sacheinlage das Gegengeschäft regelmäßig zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft abgeschlossen und in diesem Verhältnis rückabgewickelt, wobei der Inferent unwirksam an die Gesellschaft übertragenes Eigentum auch nach § 985 BGB verlangen kann. Des weiteren kann eine verdeckte Sacheinbringung durch nachträgliche offene Einbringung ihres Gegenstandes (außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Gesellschaft) auch geheilt werden (BGHZ 132, 141; 155, 329), was im vorliegenden Fall hinsichtlich des Gießereibetriebes mangels Verfügungsbefugnis der Beklagten hierüber nicht möglich wäre, wenn man von dem hier eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin absieht.

Anmerkung:

Zunächst eine durchaus beruhigende Eingrenzung des drohenden Schwertes "verdeckte Sacheinlage".
In der im ersten Teil recht formellen Argumentationskette macht der Hinweis auf das fehlende Weisungsrecht der Konzernmutter gegenüber der Tochter-AG stutzig. Könnte das Ergebnis bei einer Tochter-GmbH mit dem weisungsabhängigen Geschäftsführer anstelle einer Tochter-AG mit dem weisungsunabhängigen Vorstand anders ausgefallen sein?
Interessant sind die Anmerkungen zu den Auswirkungen eines etwaigen anderen Tenors unter d). Dort entsteht der Eindruck, dass die bisherige Argumentation doch noch ein wenig Stützung durch eine ergebnisorientierte Betrachtung bedurfte.

 


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