Urteilsanzeige GmbH, GF

05.02.2007

BGH Az (II ZR 51/06) Link zur Originalentscheidung

Haftung Geschäftsführer für Sanierungsaufwendungen nach Insolvenzreife

Die §§ 130 a Abs. 2 HGB, 64 Abs. 2 GmbHG verbieten dem Geschäftsführer grundsätzlich jegliche Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Eintritt der Insolvenzreife. Für den Ausnahmefall einer im Interesse der Masseerhaltung notwendigen Aufwendung ist der Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig.

Der Geschäftsführer muss sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft Klarheit verschaffen, bevor er einen Dritten mit aufwändigen Sanierungsbemühungen zu Lasten des Gesellschaftsvermögens beauftragt.

Die Schadensersatzverpflichtung gemäß § 130 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 HGB zielt - ebenso wie die Ersatzpflicht aus § 64 Abs. 2 GmbHG - nicht auf Ersatz eines Quotenschadens, sondern auf Erstattung der verbotswidrig geleisteten Zahlungen ohne Abzug der fiktiven Insolvenzquote des befriedigten Gesellschaftsgläubigers. (Leitsätze BGH)

Aus dem Tatbestand:
Die beklagte Geschäftsführerin beauftragt nach Eintritt der Insolvenzreife ein extrenen Berater mit der Sanierung.

Aus den Gründen:
Die Vorschrift des § 130 a Abs. 2 HGB verbietet - ebenso wie § 64 Abs. 2 GmbHG und §§ 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG - grundsätzlich jegliche Zahlung nach Eintritt der - hier unstreitigen - Insolvenzreife der Gesellschaft, um deren verteilungsfähige Vermögensmasse im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten.

Für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes gemäß § 130 a Abs. 2 Satz 2 HGB ist der Geschäftsführer ebenso beweispflichtig wie für das Vorliegen sonstiger Ausnahmetatbestände.

Das gilt - entgegen der Ansicht der Revision - auch für die Frage, ob die Beauftragung des Streithelfers durch die Beklagte in der konkreten Situation zur Abwendung von Nachteilen für die Masse sachdienlich und erforderlich war und dem an ihn gezahlten Pauschalhonorar eine angemessene, den Interessen der Gläubigergesamtheit entsprechende Gegenleistung gegenüberstand.

Nicht etwa muss der Kläger eine unzulässige Masseschmälerung infolge der unstreitig geleisteten Zahlung beweisen, sondern die Beklagte das Gegenteil. Das entspricht auch der Beweislastregelung für den Ausnahmetatbestand eines "Bargeschäfts" i.S. von § 142 InsO, dessen Voraussetzungen aber im Übrigen mit denjenigen des § 130 a Abs. 2 Satz 2 HGB nicht völlig übereinstimmen.

b) Die tatrichterliche Würdigung, dass die genannten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise erlaubte Zahlung nicht dargetan seien, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Berufungsgericht insbesondere darauf hin, dass die erhoffte Sanierung der Schuldnerin mit Kreditmitteln ungeeignet war, deren Überschuldung und damit deren Insolvenzreife gemäß § 19 Abs. 2 InsO zu beseitigen.

Die Frage einer positiven Fortführungsprognose stellte sich unter diesen Umständen nicht mehr, weil diese nach § 19 Abs. 2, 3 InsO nur für die Bewertung des Schuldnervermögens von Bedeutung ist, eine danach gegebene Insolvenzreife wegen Überschuldung aber nicht ausräumen kann. Wie der vom Kläger vorgelegte Insolvenzstatus zeigt, waren die Aktiva erheblich überbewertet. Verbindlichkeiten von ca. 5,5 Mio. € standen Fortführungswerte von nur 3,4 Mio. € und Zerschlagungswerte von 2,7 Mio. € gegenüber. Auch der im Insolvenzverfahren für die Veräußerung des Unternehmens der Schuldnerin erzielte Kaufpreis von Verrbindlichkeiten bei weitem nicht. Die Beklagte war auch Geschäftsführerin der Muttergesellschaft der Schuldnerin und wusste bei ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin im Dezember 2002, dass die Schuldnerin in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten war.

Dass es zu einem - gemäß § 130 a Abs. 1 Satz 3 HGB unverzüglich zu stellenden - Insolvenzantrag keine Alternative gab, hätte die Beklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen bereits durch Aufstellung eines Vermögensstatus erkennen können und müssen, bevor sie den Streithelfer mit aufwändigen Sanierungsbemühungen beauftragte. Soweit die Revision eine zumindest teilweise Erforderlichkeit der mit dem Pauschalhonorar abgegoltenen Leistungen des Streithelfers geltend macht, fehlt es an konkretem Sachvortrag nach Grund und Höhe der darauf entfallenden Aufwendungen.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung der von der Beklagten geleisteten Zahlung ohne Abzug der fiktiven Insolvenzquote des Streithelfers zugesprochen.

Dass in § 130 a Abs. 3 Satz 1 HGB - im Gegensatz zu § 64 Abs. 2 GmbHG - von einem u.a. durch die Zahlung entstehenden "Schaden" die Rede ist, begründet keinen rechtserheblichen Unterschied, wie sich schon aus der Gesetzesbegründung ergibt. Dort heißt es: "Die in Absatz 3 Satz 1 und 2 vorgesehene Schadensersatzpflicht entspricht § 93 Abs. 2, 3 Nr. 6 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG".

Um den üblichen Schadensbegriff im Sinne der Differenzhypothese handelt es sich hier ohnehin nicht, weil der Zahlung regelmäßig das Erlöschen einer dadurch getilgten Gesellschaftsverbindlichkeit gegenübersteht und dies einen "Schaden" in dem hier gemeinten Sinn nicht ausschließen kann. Andernfalls würde die Vorschrift leer laufen. Vielmehr handelt es sich - wenn überhaupt - um einen speziellen Schadensbegriff, wie er auch § 93 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 6 AktG zugrunde liegt. Danach liegt der "Schaden" schon in dem Abfluss der Mittel. Gleichgültig ist dabei, ob man hieinen "Ersatzanspruch eigener Art" oder einen "Schadensersatzanspruch eigener Art" annimmt. Soweit es um einen durch "Zahlungen" entstehenden Schaden geht, ist damit auch ein Quotenschaden nicht gemeint; dieser wird vielmehr durch die Alternative des durch Versäumung der Insolvenzantragspflicht entstandenen Schadens in § 130 a Abs. 3 Satz 1 HGB erfasst. Das Gesetz unterscheidet davon den durch verbotene Zahlungen entstehenden "Schaden".

Der gegenteiligen u.a. von K. Schmidt vertretenen Auffassung, die sich auch gegen die gefestigte Rechtsprechung des Senats zu § 64 Abs. 2 GmbHG richtet, vermag der Senat nicht zu folgen.

Die ungekürzte Ersatzpflicht für geleistete Zahlungen ohne Abzug der fiktiven Insolvenzquote rechtfertigt sich im Falle des § 130 a Abs. 3 Satz 1 HGB ebenso wie im Fall des § 64 Abs. 2 GmbHG aus den Erwägungen im Senatsurteil vom 8. Januar 2001 aaO.

Anmerkung:

 


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