Urteilsanzeige GesR,GmbH,GF

20.10.2008

BGH Az (II ZR 107/07) Link zur Originalentscheidung

Geschäftsführer Abberrufung und Kündigung durch Bevollmächtigten

Der vom Komplementär der Alleingesellschafterin einer GmbH Bevollmächtigte kann die Abberufung des Geschäftsführers und die Kündigung von dessen Anstellungsvertrag wirksam beschließen (Leitsatz BGH).

Sachverhalt:
Kläger ist Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die S.KG ist, deren alleiniger Komplementär ist O.S. Letzterer hat A.L. eine Generalvollmacht erteilt, ihn als Komplementär der S.KG zu vertreten. A.L. hat dann den Kläger als Geschäftsführer abberufen und den Anstellungsvertrag gegkündigt. Der Kläger behauptet die Unwirksamkeit der Kündigung.

Aus den Gründen:
A.L. war wirksam bevollmächtigt, die Gesellschafterrechte der S. KG bei der Beklagten auszuüben. Dabei kann dahinstehen, ob die Grundsätze über die Unwirksamkeit einer vom Geschäftsführer einer GmbH einem Nichtgeschäftsführer erteilten Generalvollmacht auf die vom Komplementär einer Personengesellschaft einem Dritten erteilte Generalvollmacht zu übertragen sind.
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass A.L. keine umfassende Generalvollmacht erteilt wurde, sondern eine ausdrücklich als solche bezeichnete rechtsgeschäftliche Generalvollmacht, in der von der Vertretungsmacht Rechtsgeschäfte ausgenommen waren, bei denen ein Handeln des Komplementärs als Organ einer Gesellschaft erforderlich ist.

Ob eine solche rechtsgeschäftliche Generalvollmacht zulässig ist, kann dahinstehen, weil sie jedenfalls auf eine zulässige Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB zu reduzieren ist.

Eine solche allgemeine Handlungsvollmacht, die sich auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, und die nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet ist, ist zulässig.

Die Generalhandlungsvollmacht bevollmächtigt zur Ausübung der Stimmrechte bei einer Tochtergesellschaft (§ 54 Abs. 1 HGB). Der Betrieb des Handelsgewerbes bringt die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und die Abstimmung bei Tochtergesellschaften gewöhnlich mit sich. Die A.L. erteilte Vollmacht, für O.S. in dessen Eigenschaft als Komplementär der S. KG zu handeln, umfasst darüber hinaus ausdrücklich die Stimmrechtsausübung.

b) Verfehlt ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, zu einer wirksamen Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der Beklagten sei nach §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter der S. KG notwendig gewesen. Die organschaftlichen Rechte in einer GmbH, deren Alleingesellschafterin eine Kommanditgesellschaft ist, nehmen die organschaftlichen Vertreter der Kommanditgesellschaft als Geschäftsführungsmaßnahme wahr. Das Fehlen einer ggf. ausnahmsweise nach § 164 HGB im Innenverhältnis notwendigen Zustimmung der Kommanditisten lässt die Vertretungsmacht der Organe der Kommanditgesellschaft nicht entfallen. Organschaftlicher Vertreter der S. KG war O. S. als Komplementär, der wiederum A. L. rechtsgeschäftlich zu seiner Vertretung bevollmächtigt hatte.

Das Berufungsgericht hat außerdem verkannt, dass A. L. als Geschäftsführer der einzigen Kommanditistin der S. KG Geschäften, die er als Vertreter des Komplementärs vornehmen will, jederzeit zustimmen konnte, so dass das Verlangen einer ausdrücklichen Zustimmung der Kommanditistin durch einen Gesellschafterbeschluss reine Förmelei wäre.

2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages und die Mitteilung der Abberufung seien unwirksam, weil A. L. keine Vollmachtsurkunde vorgelegt und der Kläger das Rechtsgeschäft aus diesem Grund mit Recht unverzüglich zurückgewiesen habe (§ 174 Satz 1 BGB).

Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Zurückweisung ausgeschlossen ist, wenn der Vollmachtgeber den anderen Teil von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte (§ 174 Satz 2 BGB). Dazu genügt, dass der Vertreter eine Stellung bekleidet, mit der üblicherweise eine Vollmacht verbunden ist, die auch das konkrete Rechtsgeschäft umfasst, wie etwa eine Handlungsvollmacht.

Die Beklagte hat eine entsprechende Stellung von A. L. behauptet. Sie hat unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger habe aus mehreren Gesellschafterversammlungen der vergangenen Jahre und als Beschäftigter seit 1965 gewusst, dass A. L. Generalbeigter von O. S. gewesen sei und in sämtlichen Gesellschafterversammlungen der Beklagten als solcher gehandelt habe.

3. Das Urteil des Berufungsgerichts ist schließlich auch nicht aufgrund der Hilfserwägung richtig, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beschlüsse dem Kläger nicht vom zuständigen Organ, nämlich der Gesellschafterversammlung der Beklagten, mitgeteilt worden seien. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Gesellschafterversammlung die Kündigungs- oder Abberufungserklärung nicht selbst gegenüber dem Geschäftsführer abgeben muss, sondern sich hierbei auch dritter Personen, z.B. eines anderen Geschäftsführers, bedienen kann. Der Vertreter des Alleingesellschafters, der gleichzeitig Geschäftsführer ist, kann darüber hinaus jederzeit einen Beschluss fassen, ihn im Kündigungs- oder Abberufungsschreiben dokumentieren (§ 48 Abs. 3 GmbHG) und als beauftragter Mitgeschäftsführer die Kündigung oder Abberufung durch Übergabe des Schreibens, auch ohne Beifügung eines förmlichen Beschlusses, erklären. Eine Trennung der Funktionen wäre Förmelei.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine endgültige Entscheidung ist dem Senat verwehrt, weil ungeklärt ist, ob die Zurückweisung mangels Vorlage der Vollmachtsurkunde zu Recht erfolgte (§ 174 Satz 2 BGB). Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger nicht zugestanden, Kenntnis von der Stellung A. L. als Generalbevollmächtigten gehabt zu haben, mag sein Bestreiten auch angesichts der langjährigen Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten wenig plausibel erscheinen. Der Kläger hat nur eingeräumt, seit langer Zeit gemeinsam mit L. Geschäftsführer der Beklagten gewesen zu sein, gewusst zu haben, dass die S. KG Alleingesellschafterin war und dass sich A. L. als sein Vorgesetzter geriert habe.

In Frage kommt auch, dass die Zurückweisung unbeachtlich ist, wenn A. L. bereits in der Vergangenheit stets das Vertragsverhältnis mit dem Kläger abgewickelt hat, ohne die Generalvollmacht vorzulegen. § 242 BGB kann eine Zurückweisung ausschließen, wenn der Kündigungsempfänger den Vertreter in der bestehenden Geschäftsverbindung auch ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde bereits wiederholt als solchen anerkannt hat, solange kein begründeter Zweifel am Bestehen der Vollmacht aufgetreten ist.

Außerdem hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages bestand.

Anmerkung:

 


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