Urteilsanzeige AktG

01.02.2010

BGH Az (II ZR 173/08) Link zur Originalentscheidung

EUROBIKE - (keine) verdechte Sacheinlage bei entgeltlichen Dienstleistungen

Die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage finden auf Dienstleistungen, die der Bezieher neuer Aktien im zeitlichen Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung entgeltlich für die Aktiengesellschaft erbracht hat oder durch eine von ihm abhängige Gesellschaft hat erbringen lassen, keine Anwendung. Entgeltliche Dienstverträge zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten sind im Aktienrecht nicht verboten.
Die Bezahlung von Beratungsleistungen vor Leistung der Einlage ist keine verdeckte Finanzierung durch die Gesellschaft im Sinn eines rechtlich dem Hin- und Herzahlen gleichstehenden Her- und Hinzahlens, wenn eine tatsächlich erbrachte Leistung entgolten wird, die dafür gezahlte Vergütung einem Drittvergleich standhält und die objektiv werthaltige Leistung nicht aus der Sicht der Gesellschaft für sie unbrauchbar und damit wertlos ist. (Leitsätze BGH)

Aus dem Urteil:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der EUROBIKE AG (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin geriet im Mai 2001 in finanzielle Schwierigkeiten und beauftragte die Beklagte zu 2, eine hundertprozentige Tochter der Beklagten zu 1, gegen ein anfangs abschnittsweises, später
monatliches Pauschalhonorar mit der Beratung einer strategischen und operativen Restrukturierung des Unternehmens. Der Beratungsauftrag wurde mehrfach verlängert. Die Schuldnerin zahlte zu Beginn eines jeden Monats, letztmals am 13. Dezember 2002, das vereinbarte Honorar an die Beklagte zu 2, im Jahr 2002 insgesamt 2.655.570,71 €.

Der Vorstand beschloss erstmals am 21. Mai 2002, endgültig mit Zustimmung des Aufsichtsrats am 27. September 2002, das Grundkapital durch Ausgabe von 2.800.000 neuen Aktien gegen Bareinlagen um 7.158.086,34 € auf insgesamt 21.474.259,01 € zu erhöhen.

Als Emissionsbank sollte die WestLB AG, die dem finanzierenden Bankenpool angehörte, die neuen Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre zeichnen.
Die Beklagte zu 1, der die WestLB AG im Februar 2002 eine Schuldverschreibung in Höhe von 103.000.000,00 € zur Verfügung gestellt hatte, um Mandanten "kapitalmäßig begleiten" zu können, und die im Sommer 2002 mit etwa 1 % am Grundkapital der Schuldnerin beteiligt war, verpflichtete sich am 2. Juli 2002 gegenüber der WestLB AG, alle während der Bezugsfrist nicht von
Aktionären bezogenen Aktien der Schuldnerin gegen Zahlung des Bezugspreises zu übernehmen. Die Übernahmeverpflichtung der Beklagten zu 1 ist auch in einer Mandatsvereinbarung zwischen dem Vorstand der Schuldnerin und der WestLB AG zur Durchführung der Kapitalerhöhung vom 9. Juli 2002 festgehalten worden.

Mit Schreiben vom 24. September 2002 widerrief die Beklagte zu 1 ihre Übernahmeverpflichtung aus dem Vertrag vom 2. Juli 2002, was am 30. September 2002 zu einer Modifizierung der Vereinbarung unter Beibehaltung der Übernahmeverpflichtung führte.

Am 9. Oktober 2002 verpflichtete sich die WestLB AG gegenüber der Schuldnerin zur Zeichnung sämtlicher jungen Aktien unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre und zahlte den Einlagebetrag. Am 11. Oktober 2002 wurde die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen. Nach Ablauf der Bezugsfrist am 4. November 2002 erwarb die Beklagte zu 1 1.340.640 neue Aktien zum Bezugspreis von 2,72 € je Aktie und zahlte hierfür 3.646.540,80 €, die sie durch Abruf der ersten Tranche aus der Schuldverschreibung der WestLB AG finanzierte.

Dem Kläger stehen unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 zu.

1. Die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage (§§ 205 Abs. 4, 27 Abs. 3 AktG a.F. bzw. §§ 205 Abs. 3, 27 Abs. 3 AktG i.d.F. des ARUG vom 4. August 2009, BGBl. I S. 2479) finden entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Anwendung.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings entgegen dem Landgericht davon ausgegangen, dass die Verpflichtung der WestLB AG zur Übernahme der Aktien der Annahme einer verdeckten Sacheinlage nicht entgegensteht. Dass als Erstübernehmer der neuen Aktien mit der WestLB eine Emissionsbank auftrat, die die Aktien auftragsgemäß platzierte, widerspricht einer Beurteilung des Vorgangs als verdeckte Sacheinlage oder als Hin- und Herzahlen durch die Beklagte zu 1 als mittelbarer Erwerberin der Aktien nicht. Die Zwischenschaltung der Emissionsbank, die die Aktien ohne eigenes Interesse am Erwerb zur Weiterveräußerung an Altaktionäre oder Dritte übernimmt, hat rein technische Gründe und führt dazu, dass sich die Vorgänge in der Kette des Kapitalaufbringungsgeschehens um ein Glied nach hinten verschieben, wirtschaftlich aber derjenige Ersterwerber der Aktien bleibt, der die Aktien von der Emissionsbank erwirbt.


b) Ebenfalls noch zutreffend hat das Berufungsgericht die Anwendung der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage nicht daran scheitern lassen, dass nicht die Beklagte zu 1, sondern ihre hundertprozentige Tochter die Beratungsleistungen erbrachte und das Beratungshonorar erhielt. Die Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt keine personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem Auszahlungsempfänger voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist bei der Weiterleitung der Einlagemittel an einen Dritten, dass der Inferent durch die Leistung der Gesellschaft in gleicher Weise begünstigt wird wie durch eine unmittelbare Leistung an ihn selbst, insbesondere bei der Leistung an ein vom Gesellschafter beherrschtes Unternehmen.

c) Die Beklagte zu 1 hat nicht anstelle der Bareinlage unter Umgehung der Sacheinlagevorschriften die Dienstleistungen ihrer hundertprozentigen Tochter, der Beklagten zu 2, eingebracht. Die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage finden auf entgeltliche Dienstleistungen keine Anwendung, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils zur Kapitalaufbringung bei der GmbH entschieden hat.
Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage kann nur eine sacheinlagefähige Leistung sein.

Voraussetzung des Tatbestands einer verdeckten Sacheinlage ist nach der inzwischen auch in den Gesetzestext (§ 19 Abs. 4 GmbHG, § 27 Abs. 3 AktG) aufgenommenen Rechtsprechung des Senats, dass das Umgehungsgeschäft dazu führt, dass die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis eine Sacheinlage erhält.

Bei einer verdeckten Sacheinlage werden die Regeln über die Kapitalaufbringung durch eine Sacheinlage dadurch umgangen, dass eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung vom Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll.

Entsprechendes gilt bei verdeckter Einbringung sonstiger Gegenstände, die als Sacheinlage eingebracht werden können, wie z.B. einer Forderung.

Die Neufassung von § 27 Abs. 3 AktG durch das ARUG hat daran nichts geändert; der Gesetzgeber wollte damit vielmehr wie mit der entsprechenden Regelung in § 19 Abs. 4 GmbHG (i.d.F. des MoMiG vom 23. Oktober 2008, BGBl. I S. 2026) an die Rechtsprechung des Senats anknüpfen (vgl. BTDrucks. 16/13098 S. 55).

Dienstleistungsverpflichtungen sind nicht sacheinlagefähig (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG).

Bei den Beratungsleistungen der Beklagten zu 2 handelt es sich nach den in der Revisionsinstanz unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts um Dienstleistungen.

Entgeltliche Dienstverträge mit einem Inferenten sind im Aktienrecht nicht verboten.

d) Die Beklagte zu 1 hat auch nicht anstelle der Bareinlage die Vergütungsforderungen ihrer hundertprozentigen Tochter, der Beklagten zu 2, unter Umgehung der Sacheinlagevorschriften eingebracht.

Das Beraterhonorar wurde jeweils zu Monatsbeginn in Rechnung gestellt und bezahlt, Reisekostenrechnungen wurden unverzüglich nach Rechnungsstellung beglichen.

Auch die Honorarforderungen aus dem Beratervertrag, die erst nach Begründung der Einlageschuld entstanden sind (Neuforderungen), wurden nicht verdeckt als Sacheinlage eingebracht.

In der Verrechnung von Neuforderungen oder dem eine solche Verrechnung verschleiernden Bezahlen von Einlage einerseits und Honorar andererseits liegt nur dann eine verdeckte Sacheinlage, wenn dieses Vorgehen bereits vor oder bei der Fassung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses bzw. dem Beschluss des Vorstands, vom genehmigten Kapital Gebrauch zu machen, definitiv abgesprochen war.

Einer Absprache steht hier schon entgegen, dass erst künftig entstehende und von einer Dienstleistung abhängige Forderungen nicht sacheinlagefähig sind und somit auch nicht offen als Sacheinlage eingebracht werden könnten.

Der Beratervertrag konnte jederzeit - wie das später auch geschah - gekündigt und beenden. Das Honorar wurde zwar zu Beginn eines jeden Monats vorschüssig bezahlt, war aber nur verdient, wenn die Beratungsleistung auch erbracht wurde. Eine Absprache liegt auch nicht darin, dass der Bankenpool die weitere Kreditgewährung von einer Kapitalerhöhung und der Fortsetzung des Beratungsverhältnisses mit der Beklagten zu 2 abhängig machte. Weder wird die Absprache, die erst in Zukunft entstehenden Honorarforderungen zur Einlageleistung zu verwenden, durch die nach Meinung des Berufungsgerichts in Gang gesetzte Kausalkette zwischen diesem Verlangen der Banken und der Fortsetzung des Beratungsverhältnisses ersetzt, noch führt eine in Gang gesetzte Kausalkette zur Sacheinlagefähigkeit der künftigen Honorarforderungen. Das Verlangen der Banken lag zeitlich sowohl vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss als auch vor der erstmaligen Verpflichtung der Beklagten Anfang Juli 2002 zur Übernahme der nicht platzierten Aktien und wurde im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Sanierung durch Kapitalerhöhung gestellt, ohne dass ein Bezug zur Übernahme von Aktien durch die Beklagte zu 1 bestand oder hergestellt wurde.

Dass dem Verlangen ein gemeinsamer Plan oder eine Absprache der Banken mit der Beklagten zu 1 zugrunde lag, mit den Beratungshonoraren den Aktienerwerb und damit die Kapitalerhöhung zu finanzieren, hat ufungsgericht nicht festgestellt.

2. Auch der Umgehungstatbestand eines Hin- und Herzahlens oder eines Her- und Hinzahlens der von der Beklagten zu 1 geleisteten Einlage ist nicht gegeben.

Ein Hin- und Herzahlen liegt vor, wenn es an einer Bareinlageleistung zur freien Verfügung des Vorstands (§ 54 Abs. 3 AktG) fehlt, weil der Einlagebetrag absprachegemäß umgehend wieder an den Einleger, z.B. als Darlehen oder aufgrund einer Treuhandabrede, zurückfließen soll.

Dem ist der Gesetzgeber in § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG i.d.F. des ARUG insoweit gefolgt, als ein Hin- und Herzahlen nur vorliegt, wenn es wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und der Vorgang nicht als verdeckte Sacheinlage zu beurteilen ist.

Im vorliegenden Fall scheidet ein Hin- und Herzahlen aus, weil die Einlageforderung nicht gegen eine andere schuldrechtliche Forderung der Gesellschaft ausgetauscht worden ist. Mit der Vergütung von Beratungsleistungen wird keine Forderung der Gesellschaft gegen die Beklagte als Inferentin begründet, die die Einlageschuld ersetzt. Die Einlage wird auch zur freien Verfügung der Gesellschaft geleistet, solange sie nicht für die Bezahlung der Dienstleistungen reserviert wird, was hier ohnehin nur für das Anfang Dezember 2002 als einziges nach Übernahme der Aktien im November 2002 gezahlte Beratungshonorar in Frage kommt. Eine solche Bindung der eingezahlten Mittel hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und der Kläger nicht behauptet.

Anmerkung:

Fortführung von BGHZ 180, 38 - "Qivive"

 


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