Urteilsanzeige InsR

17.02.2011

BGH Az (IX ZR 131/10) Link zur Originalentscheidung

Darlehen einer nahestehenden Person ist nicht automatisch ein Gesellschafterdarlehen

a) Die Forderung aus der Rechtshandlung eines Dritten entspricht einem Gesellschafterdarlehen nicht schon deshalb, weil es sich bei dem Dritten um eine nahestehende Person im Sinne des § 138 InsO handelt.
b) Gewährt eine nahestehende Person (§ 138 InsO) dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen, begründet dies keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen. (Leitsatz BGH)

Aus dem Urteil:
Die Mutter eines alleinigen Kommanditisten und Geschäftsführer einer Insolvenzschuldnerin gewährt dieser Schuldnerin ein Darlehen. Eine in Inhaberschaft des Bruders stehende Gesellschaft gewährt ein weiteres Darlehen. Beide Darlehen sollen nach der Auffasung des beklagten Insolvenzverwalters allein aufgrund der Verwandtschaftsbeziehung nachrangige Gesellschafterdarlehen sein. Die Darlehensgeber bzw. deren Rechtsnachfolger (=Kläger) klagen erfolgreich auf Festsellung als nicht nachrangige Forderungen zur Insolvenztabelle.

Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 der Vorschrift Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt. Hierunter lassen sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die von den Klägerinnen angemeldeten Darlehensansprüche nicht fassen.

a) Allerdings steht es der Anwendbarkeit der Vorschrift nicht von vornherein entgegen, dass es sich bei den Darlehensgebern nicht um Gesellschafter der Schuldnerin handelt. Auch wenn Rechtshandlungen Dritter in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt werden, sollte der Anwendungsbereich der durch das Gesetz vom 23. Oktober 2008 (MoMiG) aufgehobenen Vorschrift des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 1980 auch in personeller Hinsicht übernommen werden (vgl.BTDrucks. 16/6140, S. 56). Von der Neuregelung werden daher auch Rechtshandlungen Dritter erfasst, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen. Dies gilt insbesondere für Darlehen verbundener Unternehmen.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die von der bisherigen Rechtsprechung hierzu aufgestellten Voraussetzungen nicht vor. Es besteht weder eine gesellschaftsrechtliche - vertikale oder horizontale - Verbindung zwischen der Zedentin und einem der Gesellschafter der Schuldnerin, noch ist ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften beteiligt. Eine Verbindung wird nur über das Verwandtschaftsverhältnis der an der Zedentin und der Schuldnerin maßgeblich beteiligten Gesellschafter vermittelt.

b) Das Berufungsgericht hat auch damit Recht, dass nicht schon eine dem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorliegt, weil es sich bei der A.-GmbH um eine dem Gesellschafter der Schuldnerin (§ 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und auch dieser selbst (§ 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO) nahe stehende Person handelt. Entsprechendes gilt für die Klägerin zu 2 gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Vorschrift des § 138 InsO zur Abgrenzung von einfachen (§ 38 InsO) zu nachrangigen Insolvenzforderungen (§ 39 InsO) nicht herangezogen werden.

Entscheidend gegen die Anwendung des § 138 InsO im Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO spricht jedoch, dass die Vorschrift in der Sache auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist. Soweit in den Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung auf § 138 InsO verwiesen wird, ist hiermit eine Umkehr der Beweislast zum Nachteil der nahestehenden Person verbunden. Hiervon werden Handlungen erfasst, die sich ohnehin durch eine besondere Verdächtigkeit auszeichnen oder bei denen die in § 138 InsO genannte Person der Insolvenz besonders nahesteht (§ 130 Abs. 3 InsO). Gewährt hingegen eine nahestehende Person der Gesellschaft ein Darlehen, ist dies für sich genommen unverdächtig. Erst die Zurechnung zum Gesellschafter löst den Verdacht aus und zieht die Abwertung der ansonsten einwandfreien Forderung nach sich (vgl. Schall, aaO S. 209). Bei einer Zurechnung allein über § 138 InsO würde somit das unverdächtige Darlehen eines Dritten so behandelt, als stamme es aus dem Vermögen des Gesellschafters. Eine solche generelle Gleichsetzung ließe unberücksichtigt, dass auch eine dem Gesellschafter nahestehende Person der Gesellschaft ein Darlehen als außenstehender Dritter gewähren kann. Ein Regelungsmodell, das auf eine Mithaftung für die Schulden des nahen Angehörigen hinausläuft, liegt auch der Neuregelung des Gesellschaftsinsolvenzrechts fern.

(1) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet ein Ehe- oder Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Darlehensgeber und dem Gesellschafter für sich genommen noch keine Beweiserleichterung dafür, dass die Mittel von dem Gesellschafter stammen. Eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises kommt aber dann in Betracht, wenn es sonstige konkrete Hinweise darauf gibt, dass diese Voraussetzung vorliegt. Der Bundesgerichtshof hatte bislang nicht zu entscheiden, in welchen Fällen sonstige Hinweise für eine solche Herkunft der Mittel vorliegen, weil entweder hierzu konkreter Sachvortrag fehlte, als unstreitig festgestellt war, dass die Darlehensmittel aus dem Vermögen des Dritten und nicht aus dem des Gesellschafters stammten oder umgekehrt sich bereits aus dem festgestellten Sachverhalt ergab, dass die Mittel aus dem Vermögen des Gesellschafters und nicht des formellen Darlehensgebers (Dritten) stammten.
In der Literatur wird zum auslaufenden Kapitalersatzrecht teilweise angenommen, das Näheverhältnis könne für sich bereits den ersten Anschein dafür begründen, dass das Darlehen mit Mitteln des Gesellschafters gewährt worden sei , oder aber es seien je nach Lage des Falles solche Beweiserleichterungen zu gewähren, wenn zumindest Anhaltspunkte dafür beständen, dass es sich um Mittel handle, die dem Darlehensgeber zu diesem Zweck vom Gesellschafter zur Verfügung gestellt waren.

(2) Für die nach der neuen Gesetzeslage zu beurteilenden Fälle kann an das Merkmal der "Krise der Gesellschaft" oder das der "fehlenden Kreditwürdigkeit" zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens nicht mehr angeknüpft werden. Deswegen kann es keinen Beweis des ersten Anscheins begründen, dass der zur Familie des Schuldners gehörende Darlehensgeber den Kredit ohne entsprechende Sicherheiten und ohne Informationsrechte ausgereicht hat. Gleiches gilt für den Kredit einer Gesellschaft, die sich in der Hand eines Familienangehörigen befindet. Im Übrigen dürfte es nicht ungewöhnlich sein, Privatdarlehen innerhalb der Familie allein im Vertrauen auf die Person des zur Familie gehörenden Darlehensnehmers zu gewähren. Für die Annahme eines feststehenden Erfahrungssatzes, der geeignet ist, die Darlegungs- und Beweislast allein im Hinblick auf die fehlenden Sicherheiten zu Lasten des Darlehensgebers zu verschieben, wie dies offenbar der Revision vorschwebt, ist deshalb kein Raum.

(3) Die Klägerinnen haben behauptet, dass die Darlehensvaluta aus ihrem eigenen Vermögen herrühre. Der Beklagte ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten. Er hat auch kein "Umgehungsgeschäft", nicht einmal in den Grundzügen, behauptet. Deshalb brauchte sich das Berufungsgericht mit diesen Fragen nicht zu befassen.

Anmerkung:

 


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