Urteilsanzeige GmbH,GF

30.07.2003

BGH Az (5 StR 221/03) Link zur Originalentscheidung

Strafbarkeit Geschäftsführer bei Nichtabführung Arbeitnehmerbeiträge

Leitsatz: Unterlässt der Verantwortliche während des Laufs der Insolvenzantragsfrist nach § 64 Abs. 1 GmbHG die Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen an die Sozialversicherung, macht er sich nicht nach § 266a Abs.1 StGB strafbar. Die Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB verlangt auch dann die vorrangige Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen, wenn die Zahlung möglicherweise im Insolvenzverfahren später angefochten werden kann.

Aus den Gründen: Lässt der Geschäftsführer die Frist für die Stellung des Konkursantrages verstreichen, fällt diese sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergebende Rechtfertigung weg. Dies gilt namentlich dann, wenn die Insolvenzreife des Unternehmens fortbesteht. Die aus § 64 Abs. 2 GmbHG hergeleitete Rechtfertigung knüpft nämlich nicht an der Insolvenzreife des Unternehmens an sich an, sondern sie privilegiert lediglich die noch aussichtsreichen Sanierungsversuche nach Eintritt der Krise, und zwar beschränkt auf einen Zeitraum von höchstens drei Wochen. Daraus folgt, dass die Nichtbeachtung der strafbewehrten Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge nach Ablauf der Frist nicht mehr gerechtfertigt ist. Soweit noch verfügbare Mittel des Unternehmens zur Verfügung stehen, sind diese dann in erster Linie für die Begleichung der Arbeitnehmerbeiträge im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB einzusetzen.

Der Angeklagte P war als Geschäftsführer strafrechtlich verantwortlich für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten. Allein der Umstand, dass er mehr den technischen Bereich des Unternehmens betreut hat, berührt – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – hier seine Verantwortlichkeit nicht. Er hatte nämlich nach den Feststellungen des Landgerichts durch betriebswirtschaftliche Auswertungen Kenntnis über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Ihm war damit auch die Krisensituation des Unternehmens klar. Der Angeklagte durfte deshalb die Regelung der finanziellen Belange nicht mehr seinem Mitgeschäftsführer O überlassen

Hinsichtlich der weiteren Fälle der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Monaten November 1997 und Dezember 1997 war der Angeklagte freizusprechen. Insoweit lässt sich nicht ausschließen, daß der Angeklagte zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten (15. Dezember 1997 und 15. Januar 1998) zumindest subjektiv davon ausging, nicht mehr Verantwortlicher der O & P G gewesen zu sein.

Anmerkung:

Bitte beachten Sie: Der Leitsatz ist irreführend. Es geht nur um die Straffreiheit in der 3-Wochen-Frist des § 64 GmbHG. Der Angeklagte ist aber trotzdem u.a. wg. Konkursverschleppung verurteilt worden und zwar zu insgesamt 7 Monaten. Der Fall in aller Kürze: Zahlungsunfähigkeit 30.09. / Ausscheiden des P aus GmbH und Geschäftsführung am 05.12. (durch Verkauf an "Firmenbeerdiger"). Die Beitragsrückstände beliefen sich auf insgesamt 23.000 DM. Die Nichtabführung der Beiträge für Oktober (Fällig bis 15.11.) wurde als strafbar angesehen, da der Fälligkeitstermin nach Ablauf der 3-Wochen-Frist lag. Die Nichtabführung in den Monaten November und Dezember danach wurde allerdings nicht nach § 266a StGB bestraft, da P bereits zu den Fälligkeitszeitpunkten bereits aus der Geschäftsführung ausgeschieden war.

 


Sie haben Fragen zu unseren Leistungen?
Melden Sie sich gerne - wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
☎ +49 (0)5221 - 276 95 95 ✉ info@hoffmannrichter.de 🖷 +49 (0)5221 - 276 95 99